Die Einzelteile sind zugeschnitten. Wie man aut dem Foto sehen kann, ist das Ganze ein ziemliches Gestückel. Ich habe die Teile so hingelegt, wie sie nachher auch genäht werden, d.h. die gerade Bahn liegt doppelt; der Ärmel ausgeklappt (auf den zweiten Ärmel habe ich aus Platzgründen verzichtet).

Schnitt einer Leinentunika - aus Platzgründen wurde der eine Ärmel nicht ausgelegt
Der Ärmel ist aus vier Stücken zusammengesetzt: Einem geraden Mittelteil, zwei Keilen und einer Manschette. Für diese Zusammensetzung gibt es zwar keinen archäologischen Fund, aber das Konstruktionsprinzip ist übernommen. Es ist eine Mischung aus dem Kragelund-Kittel und dem Arras-Shirt, das auf der verlinkten Seite mit dem Hemd von Thomas Beckett gleichgesetzt wird (lt. Karin Kania bestehen die Ärmel beim Hemd von Thomas Beckett jedoch aus einem Stück). Beiden Stücken ist jedoch gemeinsam, dass sich die Ärmel zum Unterarm hin verengen. Die trapezförmige Erweiterung zur Schulter hin geschieht hier durch die angestückelten Keile, weil der Stoff sonst nicht ausgereicht hätte.
Stoffmangel ist auch einer der Gründe dafür, dass vorne an den Arm eine „Manschette“ angesetzt ist. Diese besteht aus einem etwas besserem (d.h. feinerem und dichter gewebten) Leinen. Unter der Wollkotte wird die Tunika daher edler wirken, als sie tatsächlich ist.
Genau genommen ist auch das kleine Quadrat noch ein Teil des Ärmels. Es wird karoförmig eingenäht, d.h. eine Spitze kommt zwischen die beiden Armkeile, die andere wird an den Rumpf angesetzt. Dadurch entsteht unterhalb der Achsel eine „Bewegungsreserve“, die verhindert, dass die Naht reißt, wenn der Arm nach oben bewegt wird.
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Literatur: Katrin Kania, Kleidung im Mittelalter – Ein Handbuch, Böhlau Verlag, Köln 2010
Interessante Ausfuehrungen! Ich werde mich damit in Zukunft mehr beschaeftigen! Bin gespannt auf weitere Eintraege!
Freut mich!
[…] Doch, es geht weiter. Inzwischen sind die Schulternähte geschlossen und es wird Zeit, die Ärmel anzusetzen. Damit kommt jetzt der Teil, vor dem es mich schon die ganze Zeit gruselt: Das Zuschneiden der Armkugel. Bisher sind die Ärmel nämlich “klassisch”, d. h. sie schließen oben glatt ab, wie bei der bereits vorgestellten Kindertunika. […]